KI in der Gesundheitsbranche: Was gibt es bereits und wo liegen die Grenzen?
Prof. Dr. Alfred Angerer, wie unterstützt KI die Diagnostik?
Prof. Dr. Angerer: KI analysiert effizient grosse Datenmengen und Bilder wie Röntgen, MRI, CT und Ultraschall. Sie erkennt oft Auffälligkeiten, die dem menschlichen Auge entgehen könnten. Zudem kann sie Bilder bei niedrigem Kontrast auswerten, weshalb weniger Kontrastmittel benötigt werden. So wurden etwa bei Brustkrebs- Screenings 20 Prozent mehr Fälle entdeckt. Oder in der Neurologie: KI analysiert die Unmengen von Daten aus Langzeit-Messungen der elektrischen Hirnaktivität (Elektroenzephalographie) in Minimalzeit. Auch in der Prävention wird KI genutzt, beispielsweise zur Risikoanalyse hinsichtlich Delirien nach Operationen. Wichtig ist: Die endgültige Diagnose liegt immer beim Menschen. Der Arzt oder die Ärztin trägt die volle Verantwortung.

Alfred Angerer
Prof. Dr. Alfred Angerer ist Professor für Management im Gesundheitswesen an der ZHAW School of Management and Law und Co-Direktor des Digital Health Lab.
Bietet KI Therapiehilfe?
KI unterstützt die Therapieplanung, indem sie relevante wissenschaftliche Studien für die Patientinnen und Patienten filtert. In der Strahlentherapie berechnet KI die optimale Dosis und den Winkel für eine gezielte Tumorbestrahlung. Das verbessert die Präzision und reduziert die schädliche Bestrahlung. Oder im Operationssaal: Die Ärztin oder der Arzt steuert die KI-gestützten Roboterarme an einer Konsole, was zu präziseren Bewegungen führt. Neue Modelle bieten haptisches Feedback und KI-gestützte Bilder. Das erhöht die Sicherheit bei chirurgischen Eingriffen.
Die Reduzierung des administrativen Aufwands – ein Fall für KI?
Künstliche Intelligenz vereinfacht administrative Aufgaben erheblich. So werden etwa KI-gestützte Dienstpläne in Stunden statt Tagen erstellt. Pflegekräfte erfassen Vitalwerte per Sprachaufnahme, welche die KI strukturiert. Ähnliche Systeme unterstützen Ärztinnen und Ärzte bei Berichten. So bleibt mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten.
Wo ist der Mensch unersetzlich?
Bereiche, die Empathie und persönliche Interaktion erfordern – wie die Übermittlung sensibler Diagnosen –, bleiben beim Menschen. KI ersetzt menschliche Nähe, Glaubwürdigkeit und auch körperliche Pflege auf lange Sicht nicht.
Welche Grenzen hat KI in der Medizin?
Ein ethisches Problem ist, dass viele KI-Systeme wie Blackboxen wirken – ihre Entscheidungen sind nicht immer nachvollziehbar. Technisch gibt es zudem eine Lücke zwischen Laborstudien und der breiten praktischen Anwendung. Eine weitere Hürde betrifft die Daten: Es mangelt an guten, umfassenden Daten, um KI-Systeme ausgiebig zu trainieren.
Gibt es gesetzliche Regelungen?
In der Schweiz fehlen bisher spezifische Gesetze zur Regulierung der künstlichen Intelligenz im Gesundheitswesen. Während die EU den Artificial Intelligence Act verabschiedet hat, beobachtet man hier vorerst die Entwicklungen. Derzeit agiert man im rechtlichen Graubereich: Ärztinnen und Ärzte tragen die Verantwortung für Diagnosen, unabhängig davon, ob KI beteiligt war.