Atemlos den nächsten Kick suchen. Sich stetig selbst kritisieren. Masslos sein. Immer mehr Anerkennung anstreben. Sich unglücklich zu machen, ist ganz einfach: Man muss nur diese Punkte beherzigen. Wie aber wird man glücklich?
Echte und scheinbare Glücks gibt es viele. Glücks? Die deutsche Sprache kennt für das Glück keinen Plural. Dennoch sind uns verschiedene Arten von Glück vertraut: Das schnelle Glück, das die Werbung verspricht. Das innere Glück der Zufriedenheit. Das rauschende «Feuerwerks»-Glück. Das stille Glück. Das kleine Glück. Das Glück der Jugend und des Alters …
Nicht dem kurzfristigen Glück hinterherhecheln
«In unserer Gesellschaft wird vor allem das schnelle Glück als Ziel propagiert. Ein tolles Erlebnis, ein neues Auto oder eine schicke Jacke – das gibt einen Kick. Dieses Glück ist jedoch nicht beständig. Wir gewöhnen uns rasch an den neuen Zustand», sagt Beatrix Ott, Psychotherapeutin bei Medbase St. Gallen Am Vadianplatz. «Aber wir können nicht dauerhaft im Glücksrausch sein.» Bei der Jagd nach dem Kick wird im Gehirn Dopamin freigesetzt. Das schnelle «Anfluten» dieses Nervenbotenstoffs bewirkt den Glücksrausch – der aber ebenso rasch wieder verebbt.
Das kleine Glück im Alltag zu finden, ist eine Kunst, die immer wieder geübt werden will» Beatrix Ott, Psychotherapeutin, Medbase St. Gallen Am Vadianplatz
«Innehalten und geniessen»
Dopamin spielt auch bei Suchterkrankungen eine wichtige Rolle. Es verspricht Erfüllung, man will mehr … und am Ende folgt immer die Ernüchterung. Das Versprechen wird nicht eingelöst. Für ein tiefergehendes Glücksgefühl braucht es zum Beispiel das Hormon Oxytocin, das die Verbundenheit mit lieben Menschen stärkt. Oder Endorphine, die unter anderem beim Sport ausgeschüttet werden. Und natürlich Serotonin, das für ein Gefühl von Zufriedenheit mit der Welt sorgt. «Innehalten und geniessen», rät Ott. Das innere Glück der Zufriedenheit ist im Unterschied zum flüchtigen Kick beständig und lernbar. Zum inneren Glück findet etwa, wer die eigenen Ansprüche erfüllen kann oder überzogene Ansprüche aufgibt.
Aus der Verbitterung herausfinden
Wer überzeugt ist, dass die Welt, die anderen und man selbst den eigenen Vorstellungen entsprechen müssen, der wird eher frustriert, depressiv, ängstlich, zornig oder rachsüchtig als glücklich. «Besonders schwer ist es, erlittenes Unrecht zu akzeptieren. Aber wenn man nicht aus der Verbitterung herausfindet, steht man dem Glück im Weg», gibt Beatrix Ott zu bedenken. Otts Tipp: «Blicken Sie auf Ihr Leben – und fragen Sie sich, ob dies das Leben ist, das Sie führen wollen. Was würden Sie anders machen, könnten Sie nochmals beginnen? Was davon liesse sich jetzt in Ihren Alltag einbauen?»
«Das kleine Glück im Alltag finden»
Um das innere, beständige Glück zu erlangen, helfe es, den Blick auf die kleinen Freuden zu lenken: eine besonders schöne Abendlichtstimmung bewundern, ein Treffen mit Freunden geniessen oder etwas Neues wagen, indem man vielleicht einen anderen Weg geht als gewohnt. «Das kleine Glück im Alltag zu finden, ist eine Kunst, die immer wieder geübt werden will», erklärt Beatrix Ott. So wächst allmählich das kleine Glück zu einem grossen heran.
Autorin
Dr. med. Martina Frei